Die Überschrift ist ein Zitat aus dem französischen Film "Die Schüler der Madame Anne". Die Lehrerin will ihren Schützlingen die Macht der Bilder vergegenwärtigen. Im Film geht es vor allem um Nazi-Propaganda im Dritten Reich, aber Madame Anne spricht letztlich allen Bildern die Unschuld ab. Aus diskurstheoretischer Sicht durchaus zutreffend. Gerade im Zeitalter der Medialisierung bleiben Bilder nicht wirkungslos. Sie haben eine Botschaft, stehen für eine bestimmte Lebenseinstellung, eine Haltung, von der allseits kolportierten Selbstoptimierung bis zum Umwelt-Aktivismus. Ein Beispiel aus der in erster Linie an Ästhetik interessierten Zeitschrift "Schöner Wohnen". In einer Reportage wird die dänische Designerin Tine Kjeldsen vorgestellt. Natürlich bekommt man mannigfaltige Einblicke in ihr stilvolles Heim. Das Farbklima ist durchgehend stimmig, hier passt alles zusammen. Das gilt nicht nur für Möbel und Dekoration, sondern auch für Mensch und Tier. So zeigt ein Foto die 17-jährige Tochter, die in einem zartlila Pullover und hellgrauer Jogginghose auf den hellen Eichendielen sitzt und einen Boxer (?) krault. Wir lernen: "Till teilt die Vorliebe ihrer Mutter für leichte, pudrige Wohnfarben, die das Haus hell und zeitgemäß wirken lassen. Und auch der Familienhund passt ins Bild." So muss das sein in medialisierten Zeiten, ein durchgestyltes Gesamtkunstwerk. Wir können davon ausgehen, dass die Fotos bei Frau Kjeldsen zu Hause in aller Unschuld entstanden sind. Die Dame ist Geschäftsfrau, sie will ihren Bekanntheitsgrad erhöhen, um ihre Produkte verkaufen zu können. Das ist völlig legitim. Die Zeitschriften-Redakteure ihrerseits folgen der massenmedialen Handlungslogik. Auch daran ist nichts Verwerfliches. Die Wirkmächtigkeit solcher Kompositionen dürfte für die Realitätskonstruktion von Familien jedoch nicht folgenlos sein. Die Zielgruppe orientiert sich an der präsentierten Perfektion und entwickelt Defizit-Interpretationen. Also schnell die Wohnung umstylen und einen Hund kaufen, damit wir die vollkommene Familie sind - und damit alles ins (unschuldige) Bild auf Instagram passt.