Der Diskurs rund um die Ganztagsschule verläuft ziemlich eindimensional. Tenor: Die Ganztagsschule wird sämtliche Bildungsprobleme lösen. Sie verschafft den Kindern mehr Zeit zum Lernen, ist der Schlüssel zu erfolgreicher Integration und - das scheint ein zentraler Diskursstrang zu sein - entlastet die Eltern, die gerne mehr arbeiten wollen. Gegenpositionen finden sich kaum. Deshalb war ich sehr erstaunt, als während des letzten Elternabends eine Mutter erwähnte, sie würde es bedauern, ihre Tochter in einer Ganztagsklasse angemeldet zu haben. Ihrer Erfahrung nach sei ihre Tochter für diese Schulform nicht gemacht, diese brauche ihre Ruhepausen, müssen sich auch einmal zurückziehen und ganz für sich lernen können. Dafür sei der Lärmpegel in der Klasse aber viel zu hoch. Zudem ermüde sie der Unterricht so sehr, dass abends schlichtweg nichts mehr möglich sei. Ich kann diese Mutter sehr gut verstehen, und die Tochter auch. Zu meiner Zeit hatten wir erst ab der 10, Klasse nachmittags Unterricht und auch nur einmal pro Woche, aber ich habe es gehasst, obwohl ich an sich sehr gerne zur Schule gegangen bin und eine sehr gute Schülerin war. Meine eigene Tochter mag ihre Schule ebenfalls, aber am Sonntagabend ist sie regelmäßig schlecht gelaunt, weil sie am Montag bis 16 Uhr Unterricht hat. Sie würde so gerne früher nach Hause kommen, empfindet den Montag als sehr belastend. Aus gutem Grund. Schule ist anstrengend, immer mit anderen zusammen zu sein, ist auch anstrengend. Zudem bin ich überzeugt davon, dass die Ganztagsschule nicht mehr, sondern weniger Bildung zur Folge hat. Schon heute gibt es keine schriftlichen Hausaufgaben, wenn nachmittags unterrichtet wird. Und es ist ein Trugschluss zu glauben, dass es ausreicht, wenn die Schüler ihre Vokabeln während der Lernzeit in der Schule durchgehen. Konzentriertes Lernen zu Hause gehört dazu, wird aber mit dem Siegeszug der Ganztagsschule schleichend wegrationalisiert. Macht aber nix, Hauptsache, wir trainieren mit dem Smartphone unsere Surf-Kompetenzen.